Forschung für ein nachhaltiges Land- und Wassermanagement im ländlichen Marokko
Was hat die stetig steigende, weltweite Nachfrage nach nativem Olivenöl mit dem Nachhaltigen Entwicklungsziel 6 „Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten“ und dem SDG 15 „Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern“ zu tun? Antworten auf diese Frage finden Sie im vorliegenden Blogartikel. Erfahren Sie außerdem, wie ein deutsch-marokkanisches Forschungsprojekt zu einem nachhaltigen Land- und Wassermanagement in Nordafrika beiträgt.
Die größten Produzenten von Olivenöl sind derzeit Spanien, Griechenland und Italien. Doch auch der südliche Mittelmeerraum erhöht Produktion und Export von Olivenöl. In Marokko zum Beispiel kurbelt die Politik unter anderem in der Fès-Meknès Region seit Jahren den Olivenanbau und die Weiterverarbeitung zu Öl an. Diese Intensivierung hat ihren Preis: Bewässerte Olivenplantagen tragen zu einer Übernutzung des Grund- und Oberflächenwassers bei. Insbesondere in nordafrikanischen Staaten steigt jedoch ohnehin die Gefahr einer Wasserknappheit.1 Ein nachhaltiger Umgang mit Wasser ist deshalb von essentieller Bedeutung, damit alle Menschen ihren Bedarf an der lebenswichtigen Ressource decken können.
Die Produktion von Olivenöl bringt noch ein weiteres Problem mit sich: Es entstehen Reststoffe, die Wasser und Böden verschmutzen. Besonders der Abbau oder die direkte Wiederverwendung des Flüssigreststoffs in der Landwirtschaft oder in anderen Bereichen ist aufgrund der hohen Konzentration von Polyphenolen problematisch. Eine zunehmende Bodenverschmutzung gefährdet jedoch die Lebensmittelversorgung und die Biodiversität, deshalb sind nachhaltige Formen der Landwirtschaft und Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse wichtig, um dieser entgegenzuwirken (SDG 15).2
Dafür setzt sich das deutsch-marokkanische Forschungsprojekt „Zukunftsfähige Technologien und Dienstleistungen für das Wasser- und Landmanagement in Marokko“ (I-WALAMAR)3 ein. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt zielt darauf ab, eine ressourcenschonende und kreislauforientierte Bewirtschaftung der Wasser- und Bodenressourcen praxisnah zu unterstützen. Partnerinstitutionen aus beiden Ländern, unter ihnen auch das BICC, erforschen – koordiniert vom Forschungsinstitut für Wasser- und Abfallwirtschaft (FiW) an der RWTH Aachen und der Université Moulay Ismaïl in Meknès – wie innovative Technologien eine ökologisch nachhaltige Aufbereitung der Reststoffe vor Ort ermöglichen und dabei auch sozial und wirtschaftlich nachhaltig eingesetzt werden können.
Teilprojekt „Nachhaltige Transformation“
Das BICC bearbeitet mit marokkanischen Forschungsassistent:innen vor Ort das Teilprojekt „Nachhaltige Transformation im ländlichen Marokko“, das der Frage folgt, welche Möglichkeiten und Konfliktpotenziale sich in der Fès-Meknès Region aus der Einführung innovativer Praktiken und Technologien ergeben. Dafür wird zunächst der lokale Kontext untersucht. Forscher:innen am BICC führen mittels Satellitenbildern eine fernerkundliche Analyse zum Landnutzungswandel durch, der die Intensivierung des Olivenanbaus und der Olivenölproduktion in der Fès-Meknès-Region zwischen 2010 und 2020 untersucht und verräumlicht. Parallel dazu wurde eine umfassende Literaturrecherche sowie qualitative Interviews durchgeführt, um derzeitige Transformationsprozesse zu analysieren und die unterschiedlichen landwirtschaftlichen Akteur:innen in der Region zu erfassen. Die Ergebnisse zeigen strukturelle Ungleichheiten auf: Insbesondere kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe und Ölmühlen verfügen über weniger Zugänge zu Land, Wasser, Kapital und/oder Märkten als Großunternehmen und sind ihnen gegenüber in vielerlei Hinsicht benachteiligt.
Ein Beispiel ist Najib*, der gemeinsam mit seinen beiden Brüdern die, von seinem Vater 1984 gegründete, Ölmühle leitet. Anfangs wurde die Ölpresse mit einem Maultier betrieben, doch nach und nach investierte die Familie in Strom und moderne Technologien. Najib selbst baut kaum Oliven an; es sind Bauern aus der Region, die ihre Früchte während der Erntesaison von November bis Januar zu ihm bringen, um diese zu Öl weiterverarbeiten zu lassen. Der Ernteertrag und die daraus gewonnene Ölmenge hängt allerdings stark von den jährlich schwankenden Niederschlagsmengen ab. Deshalb betreibt Najib neben der Ölmühle noch eine Tankstelle und auf einigen wenigen Hektar Landwirtschaft sowie Viehzucht, um ein zusätzliches Einkommen für sich und seine Familie zu erzielen.
Ganz anders stellt sich die Situation für große Agrarbetriebe dar, die in der Fès-Meknès Region ihre eigenen intensiven Olivenplantagen betreiben und in den letzten Jahren in modernste Ölmühlen investiert haben. Finanziert von in- und ausländischen Investoren und mit Krediten beispielsweise von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung verfügen sie über modernste Technologien, um hochwertiges Olivenöl für den Exportmarkt zu produzieren. Auf ihren Plantagen wachsen besonders ertragreiche Sorten, die über Grund- und Oberflächenwasser-Bewässerungssysteme konstant Wasser zugeführt bekommen und so die Unternehmen vor den jährlichen Schwankungen in der Olivenernte schützen.
Die Beispiele verdeutlichen, dass die verschiedenen Akteur:innen unterschiedliche Möglichkeiten haben, um in ihre Betriebe zu investieren. Die Einführung innovativer Technologien muss diese Unterschiede berücksichtigen, um Konfliktpotenziale zu vermeiden, etwa wenn Technologien nur für große Agrarbetriebe nutzbar gemacht werden. Wie die Einführung einer Kreislaufwirtschaft im Wasser- und Landmanagement konfliktsensitiv und sozial nachhaltig gestaltet werden kann, sollen weitere Interviews und Stakeholder-Workshops mit unterschiedlichen Akteur:innen in der Fès-Meknès Region nachgegangen werden, sobald es die mit Covid-19 verbundenen Restriktionen erlauben.
*Namen geändert
Autorin: Birgit Kemmerling, Senior Researcher am BICC
1 Vgl. https://17ziele.de/ziele/6.html