Digitaler Wandel als Chance und Risiko der nachhaltigen Entwicklung
Die Digitalisierung hat die Art und Weise, wie wir unseren Alltag gestalten, wie wir lernen, arbeiten und kommunizieren, entscheidend verändert. In fast allen Lebensbereichen werden digitale Technologien verwendet, um Prozesse zu optimieren und effizienter zu gestalten. Digitale Kommunikationsmöglichkeiten verringern die Notwendigkeit von Reisen, der Einsatz von Sensoren ermöglicht intelligentes Energie- und Gebäudemanagement, digitale Dokumente reduzieren den Papierverbrauch und die Einführung intelligenter Mobilitäts- und Transportsysteme kann zur Verminderung des Verkehrsaufkommens beitragen. Digitale Lösungen können demnach nicht nur Kosten reduzieren, sondern auch dabei helfen, den Energie- und Ressourcenverbrauch zu senken, Emissionen zu vermeiden und die Abfallproduktion zu minimieren.
Gleichzeitig steigt mit der Produktion von digitalen Geräten auch der Bedarf an seltenen Rohstoffen, deren Abbau zur Ausbeutung von Mensch und Natur beiträgt.
Auch jede Videokonferenz, jede Suchanfrage, jede Online-Bestellung und jeder Stream verbraucht hohe Mengen an Energie und insbesondere die Speicherung und Verarbeitung der Daten in den Rechenzentren verursacht klimaschädliche Emissionen. Die Menge an Elektroschrott steigt, der in seiner Entsorgung mit erheblichen Umweltbelastungen verbunden ist. Zudem können neue Möglichkeiten, die im Zuge der Digitalisierung entstehen, zu einer Steigerung des Konsums führen, wodurch negative Effekte auf die Umwelt und das Klima bewirkt werden.
Deutlich wird, dass die Digitalisierung auf der einen Seite zahlreiche Chancen für die nachhaltige Entwicklung bietet und innovative Transformationskraft bei der Erreichung der Sustainable Development Goals (SDGs) sein kann. Auf der anderen Seite birgt die Digitalisierung auch das Risiko, negative Trends, wie die Vergrößerung unseres CO2-Fußabdrucks und die Zunahme umweltschädlicher Verhaltens- und Konsummuster, noch zu verstärken. Es müssen daher Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, beide Entwicklungen zusammenzuführen und die globale Digitalisierung innerhalb der planetaren Grenzen zu gestalten und sozial-verträglich umzusetzen. Voraussetzung dafür ist, dass die Digitalisierung als integriertes, umweltpolitisches Querschnittsthema betrachtet wird sowie Regulierungen, wie Mindeststandards steuerliche Abgaben für produzierte Emissionen sowie Anreize und Subventionen für nachhaltiges Handeln, geschaffen werden.
Wie können wir als Bürger*innen unseren digitalen CO2-Fußabdruck verkleinern?
Die sozial-ökologisch nachhaltige Gestaltung der Digitalisierung liegt nicht allein bei der Politik oder auf Seiten der Hersteller*innen, auch jede*r Einzelne*r kann dazu einen Beitrag leisten. Beispielsweise können Bürger*innen Bewusstsein in der Gesellschaft für die ökologischen Auswirkungen der Digitalisierung schaffen, in dem sie sich an Debatten und Diskussionen beteiligen sowie sich und andere darüber informieren. Auch die Mitgestaltung politischer Entscheidungsprozesse z.B. durch die Teilnahme an Partizipationsprozessen ist wichtiger Aspekt für die Umsetzung einer grünen Digitalisierung. Aber auch individuelle Verhaltensänderungen wie bewusster Konsum und die Nutzung nachhaltiger Technologien sind Möglichkeiten für Bürger*innen einen Beitrag zu leisten.
Dabei gilt, dass möglichst gebrauchte, energieeffiziente Geräte gekauft und diese über Ökostrom betrieben werden sollten. Zudem verbrauchen kleine Bildschirme weniger Strom: Sei es für einen Video-Call, zum Beantworten von Mails oder zum Schauen von Filmen – das Smartphone oder Tablet ist im Regelfall klimafreundlicher als der Laptop und Fernseher. Außerdem ist es entscheidend, dass beim Streaming oder für Videokonferenzen das WLAN verwendet wird. Eine Stunde Videostreaming über Glasfaser stößt beispielsweise 2g CO2 aus, wobei es bei gleicher Dauer rund 90g im 3G-Mobilfunknetz sind. Zudem erhöht sich der CO2 Verbrauch um ca. das 10-fache, wenn ein Video in Ultra-HD, statt in HD geschaut wird (BMUV, 2022). Wenn möglich, sollten Musik und Videos heruntergeladen statt gestreamt werden, um den Datenverbrauch zu reduzieren. Auch das Abschalten der Kamera in Videokonferenzen bietet Potenzial zur Emissionsreduktion. Grundsätzlich gilt aber: Weniger ist mehr – wer weniger digitale Technologien verwendet spart Energie. Daher sollten Verhaltensweisen geändert werden und der Umgang und Konsum bewusster gestaltet werden. Die Politik hat die Aufgabe, solche suffiziente Lebensstile durch geeignete Rahmenbedingungen zu erleichtern und zu fördern.
Vielen Konsument*innen ist jedoch bislang nicht klar, welche ökologischen und sozialen Folgen mit ihren digitalen Aktivitäten einhergehen. Für das Erkennen dieser und das Sichtbarmachen von Alternativen, stellen CO2-Fußabdruckrechner, wie der digitale COyou-Check des Wuppertal Instituts ein hilfreiches Tool dar.
Viele weitere Informationen zur nachhaltigen Digitalisierung, für politische und gesellschaftliche Implikationen für die Gestaltung des digitalen Wandels im Einklang mit der sozial-ökologischen Transformation, zur digitalen Suffizienz und für Möglichkeiten, den eigenen CO2-Fußabdruck zu senken sind bei unseren Mitgliedern und Partnern zu finden.
Hier eine Auswahl
- Zukunftswissen.fm – Der Podcast des Wuppertal Instituts zum Thema Digitalisierung und Nachhaltigkeit: https://wupperinst.org/aktuelles/podcast
- Studie zur nachhaltigen Digitalisierung für kleine und mittelständige Unternehmen vom Ökoinstitut: https://www.oeko.de/fileadmin/oekodoc/Nachhaltige-Digitalisierung-KMU.pdf
- Publikation des Umweltbundesamt: Digitalisierung nachhaltig gestalten https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/digitalisierung-nachhaltig-gestalten
- Blog des Instituts für sozial-ökologische Forschung zum Thema digitale Suffizienz: https://isoe.blog/digitale-suffizienz-so-viel-digitalisierung-wie-noetig-so-wenig-wie-moeglich/
Literatur
- BMUV (2022). Video-Streaming: Art der Datenübertragung entscheidend für Klimabilanz. Verfügbar unter: https://www.bmuv.de/pressemitteilung/video-streaming-art-der-datenuebertragung-entscheidend-fuer-klimabilanz/, abgerufen am 11.04.2023
- Doleski, O. D., Kaiser, T., Metzger, M., Niessen, S., & Thiem, S. (2021). Digitale Dekarbonisierung für dekarbonisierte Digitalisierung. Wirtschaftsinformatik & Management, 13(3), 236-243.
- Gossen, M., Rohde, F., & Santarius, T. (2021). A Marriage Story of Digitalisation and Sustainability? Ökologisches Wirtschaften-Fachzeitschrift, 36(01), 4-8. https://doi.org/10.14512/OEWO36014
- Höfner, A. & Frick, V. (2019). Was Bits und Bäume verbindet. München: Oekom. ISBN 978-3-96238-149-3. Verfügbar unter: https://www.oekom.de/buch/was-bits-und-baeume-verbindet-9783962381493
- Messner, D., Schlacke, S., Fromhold-Eisebith, M., Grote, U. et al. (2019). Unsere gemeinsame digitale Zukunft. Verfügbar unter: https://issuu.com/wbgu/docs/wbgu_hg2019?fr=sM2JiOTEyNzMy, abgerufen am 11.04.2023
- Ramesohl, S. & Berg, H. (2019) Digitalisierung in die richtige Richtung lenken – Eckpunkte für Wissenschaft und Politik. in brief, Wuppertaler Impulse zur Nachhaltigkeit 8. Verfügbar unter: https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/7392/file/7392_Digitalisierung.pdf, abgerufen am 11.04.2023
- Santarius, T., Bieser, J.C.T., Frick, V. et al. (2022). Digital sufficiency: conceptual considerations for ICTs on a finite planet. Ann. Telecommun. https://doi.org/10.1007/s12243-022-00914-x
Verfasserin
Linda Lütkes, Praktikantin, Sustainable Development Solutions Network (SDSN) Germany